Schwierig ist es geworden in Deutschland, für technische Großprojekte die nötige
Akzeptanz der betroffenen Bürger zu finden. So regte sich auch auf Sylt Widerstand gegen den von der Offshore-Bürger-Windpark Butendiek GmbH & Co. KG geplanten Windpark in der Nordsee vor der Insel Sylt. Schon der an der Deichlinie
des Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog von der Husumer Schiffswerft errichtete Windpark fand auf Sylt heftige Kritiker. Diese Kritik war aber weniger von
Sachkenntnis sondern mehr von Emotionen geleitet. Ebenso ergeht es dem Butendiek Projekt.
Anfang der Siebzigerjahre gab es in den Tinnumer Wiesen diese kleine 45 kW
Versuchsanlage eines Schweizer Ingenieurs. Seit einigen Jahren sind Windkraftanlagen auf Sylt nicht mehr erlaubt. Eine Anlage in Braderup und eine
weitere bei der Kläranlage am Rantum Becken wurden abgebaut. (Foto rechts von 1974)
Worum geht es genau? Im Jahr 2000 wurde die OSB Offshore Bürger-Windpark Butendiek GmbH & Co. KG mit dem Ziel gegründet 80
Windkraftanlagen mit jeweils maximal drei Megawatt Leistung etwa 34 Kilometer westlich des Listlandes zu errichten.
Im Dezember 2002 wurde das Projekt durch das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) genehmigt. bsh.de
Im Dezember 2004 wurde auf Sylt der Verein “Gegenwind- Für eine industriefreie Nordsee e.V.” gegründet. Der Zweck des Vereins ist die
Bewahrung freien Horizonts und die Verhinderung von Gefährdungen der Strände und der Küstengewässer sowie der Schutz des
Lebensraums für heimische Bevölkerung und Tierarten. Anscheinend richten sich die Aktivitäten des Vereins nur gegen die Errichtung von
Windparks in der Nordsee und insbesondere gegen das Projekt “Butendiek” vor der Insel Sylt. Kurz gefasst sieht der Verein folgende Argumente gegen Offshore-Windparks.
- Gefährdung der Schifffahrt auf der Nordsee - Zerstörung des Lebensraums von Seevögeln und Meerestieren - Zerstörung des Landschaftsbildes der Insel Sylt - Hohe Kosten für Stromkunden gegenwind-sylt.de/
Zunächst drohte das Projekt Butendiek aber nicht an den Protesten zu scheitern, sondern daran, dass man Schwierigkeiten hatte, einen
Generalunternehmer für die Durchführung des Projekts zu finden. Butendiek fand dann aber mit dem irische Windkraftunternehmen Airtricity
einen Partner im Ausland. Man rechnete dann mit einem Baubeginn Ende 2007, Anfang 2008 und einer Fertigstellung bis 2010. 2008 wurde
Airtricity von dem britischen Unternehmen Scottish and Southern Energy (SSE) übernommen. Als die britische Regierung 2008 die Offshore -
Windstromförderung erhöhte, zog sich SSE aus dem Projekt zurück, da Offshore-Wimdparks vor der britischen Küste nun lukrativer waren.
Bei der Bürgerwindparkgesellschaft musste man nun erkennen, dass das Vorhaben nicht mehr wie geplant durchführbar war. Im November
2010 wurde beschlossen, das Projekt an die Bremer Unternehmensgrupppe WDP zu verkaufen, die die Planungen und den Bau des
Windpark als OWP Butendiek GmbH & Co. KG fortführte. Im März 2014 wurde mit dem Bau des Windparks begonnen. Der Windpark mit
einer installierten Leistung von 288 Megawatt ging im August 2015 in Betrieb. owp-butendiek.de
Im April 2014 reichte der NABU - Naturschutzbund Deutschland e.V. Klage nach dem Umweltschadensgesetz gegen den Bau des
Windparks beim Verwaltungsgericht Köln ein. Man befürchtet Schäden für geschützte Meeresvögel und Schweinswale.
Sichtbarkeit von Offshore - Windkraftanlagen auf Sylt

Bereits als die Planungen für den Windpark Butendiek begannen, gab es auf Sylt durch den Verein “Gegenwind” heftigen Widerstand gegen
den Bau der Anlagen. Insbesondere wurde eine Beeinträchtigung des Horizonts erwartet und es wurde mit dramatischen Fotomontagen der
Eindruck erweckt, als würden die Anlagen in der Brandungszone vor dem Strand errichtet werden. Klar war allerdings, dass die Anlagen in 34
km Entfernung von einem hohen Standpunkt und bei guter Sichtbedingungen sichtbar sein würden. Das Foto oben entstand am 19. Oktober
2016 etwa um 14:00 Uhr mit einem Teleobjektiv mit 100 mm Brennweite vom ca. 15 m hohen Roten Kliff bei der Sturmhaube in Kampen bei
guten Sichtbedingungen, mit einer gemessenen Sichtweite von ca. 30 km. So wie auf diesem Foto, sieht man die Anlagen etwa mit bloßem
Auge. Die von der Sonne beleuchteten Anlagen heben sich deutlich vor den grauen Wolken im Hintergrund ab. Entsprechend heben sich die
Anlagen vor einem hellen Hintergrund ab, wenn sie im Schatten stehen (ein entsprechendes Bild gibt es bei Wikipedia).

Dieses Foto zeigt einen Bildausschnitt (ungefähr zur gleichen Zeit wie das Bild oben) mit einer Canon EOS 650d und einer Brennweite von
400 mm (Crop-Faktor 1,6) mit maximaler Auflösung (5184x3456 Pixel) fotografiert. Der Bildausschnitt hat 810 x 405 Pixel.
Der Horizont der Bewohner der Elbmarsch bei Marschacht wird in ganz anderer Weise beeinträchtigt. Dort steht das Kernkraftwerk Krümmel.
An der Unterelbe befinden sich zwei weiter Kernkraftwerke bei Brunsbüttel (seit 2011 außer Betrieb) und Brockdorf (außer Betrieb spätestens
2021). Das KKW Krümmel ist zwar seit Juli 2009 nicht mehr in Betrieb, allerdings werden hier verbrauchten Brennelemente für unbestimmte Zeit gelagert. (Foto Juli 2006)
Kühltürme des Kernkraftwerks Philippsburg in Nordbaden. Der Kraftwerksblock 1 ist seit 2011 außer Betrieb (Foto Juli 2009)
Der Kraftwerksblock 2 hat einen Nettoleistung 1410 Megawatt und wird spätestens 2019 außer Betrieb gehen.
Auf Sylt können Kunden des örtlichen Stromversorgers EVS aber ein gutes Gewissen haben. Dort bezieht man den Strom von Schweizer
Wasserkraftwerken. Die beeinträchtigen den Sylter Horizont in keiner Weise, da sie gut 900 km entfernt sind. Physikalisch ist es allerdings
so gut wie unmöglich über fast 1000 km Strom aus der Schweiz nach Sylt zu liefern. Tatsächlich werden Stromlieferungen aus der Schweiz
nach Deutschland dann zum Teil von Kunden des kommunalen Stromversorgers EVS bezahlt. energieversorgung-sylt.de
In der Schweiz sieht das die Volksinitiative gegen den Ausbau der Wasserkraft vermutlich anders. nachhaltigleben.ch
Wägitalersee im Kanton Schwyz (August 2016)
Zwar wirkt der See vor der Gebirgslandschaft idyllisch, trotzdem ist der Bau einer Staumauer ein erheblich Eingriff in die Landschaft.
Der 900 m über dem Meeresspiegel liegende Wägitalersee mit einer Fläche von 4,18 km² entstand zwischen 1922 und 1926 durch den Bau
einer Staumauer als erstes Pumpspeicherkraftwerk der Welt. Das alte Dorf Innerthal musste dafür aufgegeben werden. Das Wägitalkraftwerk ist eines von 40 Wasserkraftwerken in der Schweiz.
In Deutschland möchte man so etwas auch nicht haben. Hier gab es 2010 massiven Widerstand gegen den Ausbau des Schluchsee- kraftwerks im Schwarzwald.

links: Die Staumauer am Wägitalersee war bei ihrer Fertigstellung 1926 mit einer Höhe von 122 m die höchste der Welt.
rechts: Rohrleitungen bei der Zentrale in Rempen
Maschinenhaus und Schalthaus des Kraftwerks Wägital in Siebnen (August 2016)
Die installierte Leistung des Kraftwerks beträgt 108 Megawatt.
Das nächste Kohlekraftwerk mit Öl als Sekundärbrennstoff und einer Leistung von 378 Megawatt befindet sich ca. 45 km nördlich von Sylt im
Dänischen Esbjerg. Das nächste Kohlekraftwerk in Deutschland steht ca. 60 km entfernt am Hafen in Flensburg.
Kohlekraftwerk am Hafen im dänischen Esbjerg (Juli 2010)
In Deutschland soll künftig die Stromversorgung klimaneutral überwiegend durch Nutzung von Solar- und Windenergie erfolgen. Auch der
Verkehr und die Heizung von Wohnungen soll damit sichergestellt werden. Wie allerdings die Versorgungslücken, die bei der Nutzung von
Sonne und Wind entstehen, ausgeglichen werden sollen, ist noch weitgehend ungelöst. Zwar gibt es Ideen, wie Pumpspeicherkraftwerke in
Norwegische Fjorden zu nutzen, bis zu deren vollständiger Realisierung noch Jahrzehnte vergehen werden. Im Oktober 2016 wurde mit dem Bau der ersten HGÜ-Seekabelverbindung (NordLink) zwischen Deutschland und Norwegen begonnen, die bis 2019 fertiggestellt werden soll.
Das Seekabel wird eine elektrische Leistung von 1400 MW übertragen können, was ungefähr der Leistung eines Kernkraftwerks wie
Brockdorf entspricht. 2016 sind in Deutschland noch acht Kernkraftwerke mit einer Leistung von jeweils 1300 bis 1400 MW in Betrieb, die bis
2022 alle stillgelegt werden. Außerdem wird die sofortige Stilllegung aller Braunkohlekraftwerke gefordert, längerfristig aller Kohlekraftwerke,
die heute noch den größten Teil der elektrischen Energie liefern. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass viele Kohlekraftwerke nicht nur elektrische Energie, sondern auch Fernwärme liefern.
Einige Leistungsdaten von Großanlagen zum Vergleich (MW = Megawatt, MWh = Megawattstunden)
:
Solarpark Templin - Groß Dölln (ehemaliger sowjetischen Miilitärflugplatz mit einer Fläche von 214 ha): maximal 128 MW
Solarpark Eggebek (ehemaliger Militärflugplatz der Marine mit einer Fläche von 130 ha): maximal 83,6 MW
Onshore Windpark Reußenköge (68 Anlagen): maximal 137,75 MW
Offshore Windpark Butendiek (80 Anlagen): maximal 240 MW
Pumpspeicherkraftwerk Goldistal (Thüringen): 1060 MW
(bei einer Speichkapazität von 8480 MWh, d.h. die Anlage kann ca. 8 Stunden bei maximaler Leistung Energie liefern)
Pumpspeicherkraftwerk Geesthacht(Schleswig-Holstein): 120 MW (Speicherkapazität 600 MWh, ca. 5 Stunden mit maximaler Leistung)
Braunkohlekraftwerk Jänschwalde (Brandenburg): 3000 MW
Steinkohlekraftwerk Mannheim (Baden-Württemberg): elektrische Bruttoleistung: 1958 MW, Wärmeauskopplung: 1500 MW
Braunkohlekraftwerk Neurath (NRW): 4400 MW
Erdgas Kraftwerk Hamm-Uentrop: 850 MW
Heizkraftwerk Tiefstack (Hamburg), elektrische Bruttoleistung: 205 WM Steinkohle, 125 MW Erdgas, Wärmeauskopplung: 865 MW
Heizkraftwerk Flensburg (Steinkohle, Müll, Biomasse) elektrische Bruttoleistung: 147 MW, Wärmeauskopplung: 810 MW
Windkraftanlagen in den Reußenkögen in Nordfriesland. (August 2016)
Auch gegen den Ausbau der Windenergie in Schleswig-Holstein gibt es in vielen Gemeinden Widerstand, nicht nur wegen des Eingriffs in das
Landschaftsbild sondern auch wegen der Lärmbelastung durch Infraschall.
Photovoltaikfeld an der Bahnlinie zwischen Niebüll und Klanxbüll
Die Stromerzeugung mit Solaranlagen ist tageszeit-, jahreszeit- und wetterabhängig. Die entstehenden Versorgungslücken von Wind und
Sonne werden momentan überwiegend durch Steinkohlekraftwerke ausgeglichen, die eigentlich eher zur Grundlastversorgung geeignet sind.
Biogasanlagen wie diese in Nordfriesland liefern zwar eine Grundlastversorgung, benötigen aber zur Gaserzeugung große Mengen an
Biomasse, die heute zum größten Teil durch den Anbau von Mais erzeugt wird. Wie klimaneutral das wirklich ist, ist umstritten. Die dafür
nötigen Flächen stehen nicht mehr zur Produktion von Nahrungsmitteln zur Verfügung. Nach einer Statistik des Landesamts für Natur und
Umwelt des Landes Schleswig-Holstein vom Juni 2007 benötigten die im Betrieb, im Bau oder Genehmigungsverfahren befindlichen 124
Anlagen mit einer elektrischen Gesamtleistung von ca. 78 Megawatt eine Anbaufläche von ca. 39000 Hektar. (www.ifeu.de)
Links:
Energiemix Deutschland
Agora Energiewende (zeigt die Stromerzeugung und den Stromverbrauch in Deutschland)
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