Nur die Politik kann den Ausverkauf noch verhindern
Westerland (chr) - Nachdem das Finanzministerium im Januar die Verhandlungen mit den Sylter Kommunen über den Erwerb von 539 Wohnungen und
Häusern des Bundes für gescheitert erklärt hatte, laufen die Vorbereitungen für den Einzelverkauf gegen Höchstgebot auf Hochtouren. Über das weitere Vorgehen informierte Dr. Gerd Ernst, Referent der
Oberfinanzdirektion in Kiel, am Mittwoch bei der von Petra Reiber anberaumten Einwohnerversammlung die drei betroffenen Bürgermeister, den Landrat sowie etwa 200 Bürger, von denen viele als Mieter direkt betroffen
sind.
Alle frei werdende Objekte werden demnach einzeln und gegen Höchstgebot veräußert, Familien mit Kindern hätten dabei Vorrang. Zudem werden
demnächst die Lister und Hörnumer Mieter angeschrieben, ob sie die von ihnen bewohnten Objekte selbst kaufen wollen. In Westerland werde man wegen der hohen Bodenwerte und Einschränkungen bei der Wohneigentums-
teilung anders verfahren. Als eine Art "Test am Markt" wird der Bund Ende März Makler damit beauftragen, Käufer für zwei "attraktive Veräußerungspakete" zu finden. Betroffen davon sind das
Nordost-Quartier der Marinesiedlung mit sieben Doppelhäusern sowie der östliche Teil des Seedeiches (32 Hausteile).
Ernst ging davon aus, dass Preise von 163 000 bis 175 000 Euro abzüglich gutachterlich festgestellter Sanierungskosten einige der Hörnumer und
Lister Mieter zum Kauf ihrer Reihenhäuser oder Haushälften veranlassen werden. Eine Aussage, die ihm von der Gegenseite, zu der neben Petra Reiber und ihren Kollegen Hartmut Müller (Hörnum) und Leo Wittmeier (List)
auch Landrat Dr. Olaf Bastian gehörte, den Vorwurf der "Verkaufsveranstaltung" einbrachte. Bastian: "Ich gehe davon aus, dass die meisten Mieter nicht Eigentümer werden wollen, sondern zu bezahlbaren
Mieten in ihren Wohnungen bleiben wollen."
Während der OFD-Vertreter auf die von der Bundespolitik vorgegebenen Richtlinien bei der Veräußerung von Bundes- liegenschaften verwies, übte
Bastian auch an der zuständigen Verwaltung harsche Kritik: "Die besonderen Sylter Umstände wie die Verdrängung der Bevölkerung aufs Festland durch die Vernichtung von Dauerwohnraum sind den Politikern gar nicht
dargestellt worden." Sein Vorwurf: "Hier geht es um Kasse machen und nicht um Mietwohnungen erhalten."
Zuvor hatte Ernst die Mieter damit zu beruhigen versucht, dass sie auch beim Verkauf ihrer Wohnung einen fünfjährigen Kündigungsschutz hätten
und anschließend nur bei Eigenbedarf des Käufers gekündigt werden könnten. Worauf ihm Petra Reiber vorrechnete, dass ein Privater angesichts des Kaufpreises und der Sanierungskosten 20 Euro/qm Miete nehmen müsste,
um auf seine Kosten zu kommen.
Am Ende waren sich Kommunen, Landrat und Mieter einig, dass jetzt nur noch eine politische Lösung helfen könne, da die Finanzverwaltung nie
ernsthaft mit den Kommunen verhandelt habe. Bis April soll nun eine Busfahrt nach Berlin organisiert werden, wo man die Politiker über die Probleme aufklären will. Zuvor soll es auf Anregung von Franz Beilmann in
vier Wochen zur Gründung einer Interessengruppe der Mieter kommen. Die von den Syltern geforderte Zusage, bis April keine weiteren Objekte zu verkaufen, mochte Dr. Ernst jedoch nicht geben. "Da überschätzen Sie
meine Kompetenz."
Parallel zur angekündigten Berlin-Fahrt versuchen derzeit auch die Sylter Parteien ihre Kontakte zu nutzen. Während sich die Grünen um ein
Gespräch mit ihrer Regierungsfraktion bemühen, hofft die CDU ebenso wie Petra Reiber auf einen Termin bei Finanzminister Hans Eichel.
Sylter Rundschau vom 28.02.2003 shz.de
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