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Sylter Rundschau interviewt Franz Beilmann

Ausverkauf in heißer Phase: "Mieter sind am Boden zerstört"
[13.10.2003]

Westerland (gudo) - Franz Beilmann (65 Jahre alt, verheiratet, drei Töchter) wohnt seit 1971 in der Graf-Spee-Straße in Westerland, die Teil der so genannten Marinesiedlung und damit auch eine der Bundeswohnungen auf Sylt ist. Er wurde vor 33 Jahren vom Marinefliegergeschwader 5 aus Kiel nach Sylt versetzt. Beilmann war bis zu seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr auch Vorsitzender des Bundeswehrverbandes auf der Insel, engagiert sich u. a. kommunalpolitisch für die Wählergemeinschaft Nordfriesland und für die UBW - Unabhängige Bürger in Westerland. Er organisiert seit nunmehr 22 Jahren den Syltlauf und wurde als Sprecher der im März 2003 gegründeten Initiative "Sylter Bundesmieter in Not" gewählt.

Wie kam es zu der Initiative?

Franz Beilmann: Bereits 1997 kündigte das Bundesvermögensamt Flensburg uns den Verkauf unserer Wohnungen an. In einer Initiative mit dem Sylter Landtagsabgeordneten Heinz Maurus und Sylter Kommunalpolitikern wurde diese beim Bundesfinanzministerium vorstellig und erreichte, dass das Bundesfinanzministerium, damals noch unter Theo Waigel, in einem Schreiben zusicherte, dass belegte Bundeswohnungen nicht verkauft werden. Damit konnten wir leben und das war dann auch Grundlage unserer Lebensplanung.

. . . die jetzt kräftig durcheinandergewürfelt worden ist.

Beilmann: So sieht es aus. Im Februar dieses Jahres wurde uns von Herrn Dr. Ernst vom Bundesvermögensamt Flensburg auf einer Einwohnerversammlung der Stadt eiskalt klar gemacht, dass unsere Wohnungen kurzfristig und innerhalb von zwei Monaten verkauft werden sollen. Das war ein Schlag ins Gesicht - wenig später schlossen wir uns in einer Bürgerinitiative zusammen.

Wieviel Mitglieder stehen hinter Ihnen?

Beilmann: Ich rechne über 1 000 Betroffene, einige ältere sind krank, einige sehr behindert. Wir rechnen aber dazu auch viele nicht direkt betroffene Insulaner, die uns immer wieder ihre Anteilnahme und Hilfe versicherten.

Was können Sie zum gegenwärtigen Stand sagen?

Beilmann: Wir haben im Frühsommer alle norddeutschen Bundestagsabgeordneten angeschrieben und auf unsere Lage aufmerksam gemacht. Mit Peter-Harry Carstensen, den für Nordfriesland zuständigen Bundestagsabgeordneten, stehen wir in Kontakt. Die Sprecher der Bundestagsfraktionen im baupolitischen, haushaltspolitischen und Tourismus-Bereich wurden angeschrieben und informiert. Denn: Entgegen aller Zusagen von früher werden durch das Bundesvermögensamt nun bewohnte Bundesmietwohnungen massiv verkauft.

Immobilienmakler, u.a. die Kieler Firma "ikok" oder die "Volksbau" aus Lübeck, sind und waren in dieser Sache bereits auf der Insel unterwegs. Denn eines ist klar, dass die Menschen, die ihre Wohnungen verlieren, den schweren Gang, von ihrer Heimatinsel wegzuziehen, antreten müssen. Preise, zum Beispiel 370 000 Euro für ein allein stehendes und sanierungsbedürftiges Einfamilienhaus in der Rote-Kreuz-Straße, sind für uns nicht aufzubringen. In der Folge werden immer mehr Häuser verkauft. Der Abzug von Sylter Familien zum Festland wird eine nie vorher gekannte Größe annehmen.

Auch versuchen Festlands-Makler derzeit verstärkt, Bundesmietwohnungen an den Mann zu bringen. So standen am letzten Wochenende 35 bewohnte Wohnungen vom Seedeich in der Zeitung. Diese Makler - so scheint es uns - treten meist nur als Vermittler auf. Nach dem Verkauf werden dann die Mieter aus ihren Wohnungen verjagt. Wie man so etwas macht, dafür gibt es genügend Beispiele. Das Ziel der Käufer wird es sein, die Wohnungen so schnell wie möglich in Ferienappartements umzuwandeln.

Schildern sie doch einmal die Stimmungslage unter den Betroffenen.

Beilmann: Die Angst geht um. Insbesondere ältere Menschen werden sich sehr schlecht in ein neues Umfeld umgewöhnen - einen alten Baum verpflanzt man nicht. Man überlegt schon, wie viel man bereits in diese Schlichtwohnungen investiert hat und plant keine größeren Anschaffungen. Einige - und das ist Klartext - "sind am Boden zerstört". Es ist auch ein Vorurteil, dass wir hier zum Sozialtarif wohnen. Auf dem Festland kosten gut ausgestattete Wohnungen zum Teil weniger. Es bleibt der Nachteil, dass bei Fortzug alle alten Sozialbindungen reißen, Menschen vereinsamen und krank werden können. Es fehlt der vertraute, liebe Nachbar. Auf der Insel kann man nicht ausweichen. Es gibt auf Sylt kein vergleichbares und bezahlbares Mietwohnungsangebot, und um eine Wohnung bei der GeWoba oder KLM zu erhalten, hätte man vor 10 Jahren einen Antrag einreichen müssen.

Ehrlich wäre es gewesen, wenn der Bund uns bei Zuzug einen Werkwohnungsvertrag gegeben hätte. Mit einer klaren Vorgabe hätte man in jüngeren Jahren rechtzeitig vorgesorgt oder die Insel verlassen.

Wie kann der einzelne Mieter sich zur Wehr setzen?

Beilmann: Ich rate allen, die eine entsprechende Ankündigung des Bundesvermögensamtes bekommen haben, sofort ihren Mieterschutz einzuschalten und sich an uns im Gremium zu wenden. Wer keinen Mieterschutz hat, sollte dieses unbedingt nachholen. Das Gremium wird nicht müde werden, in weiteren Aktionen auf die Notlage aufmerksam zu machen, und dieses im Boot mit unseren Bürgermeistern und Abgeordneten. Weitere Schreiben an Bundestagsabgeordnete sind geplant. So hat auch Herr Austermann wieder zugesagt, im Haushaltsausschuss am Ball zu bleiben. Wir möchten, dass der Exodus von über 1000 Syltern zum Festland gestoppt wird.

Ferner vermittelte uns Kurdirektor Mannstedt aus Wenningstedt ein Gespräch mit der Bundestagsabgeordenten Ina Lenke, die bereits mehrfach Eingaben an den BMF veranlasste.

Wie hat denn unsere Ministerpräsidentin auf Ihr Hilfeersuchen reagiert?

Beilmann: Ich war auf Vermittlung von Heinz Maurus mit den Sylter Bürgermeistern bei Heide Simonis, die unsere Sache sehr ernsthaft aufgenommen hat. Hier hatte ich auch Gelegenheit, die Ängste und Nöte der Betroffenen eindringlich zu schildern. Wir haben sie gebeten, auf die Mitglieder ihrer Partei im Haushaltsausschuss einzuwirken und unser Anliegen zur Chefsache zu machen.

Wie kann denn eine für Sie positive Lösung jetzt noch aussehen?

Beilmann: Es bietet sich an, dass die Gemeinden im Rahmen der Konversation über ein Gesamtkonzept mit dem Bund ins Gespräch kommen. Denn nur sie haben das Planungsrecht auch über die freien Kasernenflächen. Wenn man in einer Paketlösung ein Entgegenkommen in unserer Sache erreichen könnte, wäre allen geholfen. Mehr als die angebotenen 35 Millionen können und wollen die Kommunen nicht zahlen. Alles andere würde wahrscheinlich auch den Mietpreis stark in die Höhe treiben. Das wäre dann letztlich auch "ein Rauswurf auf kalte Art". Hinzurechnen sind sowieso noch erhebliche Gelder für die Sanierung dieser Schlichtwohnungen. Uns bleibt nur eins: Wir müssen zusammenstehen und allen immer wieder permanent klarmachen: Wir wollen hier wohnen bleiben!

Wie sehen sie ganz objektiv ihre Chancen?

Beilmann: Es ist eine Hängepartie - wie beim Schach. In List und Hörnum sind bereits viele Wohnungen verkauft. Wenn Wohnungen leer werden, weil Soldaten versetzt werden oder Mieter versterben, dann ist das die Chance zum Verkauf. Es scheint aber auch, als ob die Bemühungen, größere Einheiten unmittelbar zu veräußern, nicht so recht von Erfolg gekrönt sind. Das gibt uns Mut und wir hoffen alle, dass die meisten unserer Bundesmietwohnungen doch noch zu einem annehmbaren Preis von den Sylter Kommunen übernommen werden können - auch, um sie als Mietwohnungen für nachfolgende Generationen zu erhalten. Unser Motto an den Bundesfinanzminister kann nur sein: Lasst uns hier leben und erhaltet Sylt als lebendige Insel.



Sylter Rundschau vom 13.10.03        shz.de

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