Bald nach der Übernahme des Sylter Flugplatzes durch die Royal Air Force im Mai 1945 wurden wohl ab Juli 1945 Staffeln zu Übungszwecken nach
Sylt verlegt. Vermutlich schon 1946 entschied die Royal Air Force, den Sylter Flugplatz und die Lufträume westlich von Sylt und Amrum sowie den Luft-Boden-Schießplatz am Ellenbogen
regelmäßig für das Schießtraining ihrer in Deutschland stationierten Staffeln zu nutzen. Ab Juli 1946 wurde der Platz als Armament Practice Station bezeichnet. Von Februar 1948 bis
Februar 1949 war der Flugplatz geschlossen und wurde in dieser Zeit für den Betrieb von Stahlflugzeugen vorbereitet. Hierfür wurde die heutige Hauptlandebahn 14/32 um 860 m Richtung
Keitum auf 2120 m verlängert. Zur Durchführung des Schießtrainings war auf dem Platz eine Zielschleppstaffel ständig stationiert. In den Anfangsjahren wurden zum Zielschleppen noch Miles
M.25 Martinet eingesetzt, die aber 1950 durch Hawker Tempest TT.5 ersetzt wurden. Zwischenzeitlich kamen auch DeHavilland Mosquito TT.35 zum Einsatz. Ab 1954 war die Zielschleppstaffel
dann mit Gloster Meteor F.8 und einigen Meteor T.7 ausgerüstet. Für Einweisungs- und Trainingsflüge verfügte die Station Flight zudem über einige Flugzeuge des Typs DeHavilland
Vampire T.9, in den letzten Jahren auch zwei Hawker Hunter F.4 und einige Hunter T.7. Die Flugzeuge der Station Flight waren im Hangar 402 im Südwesten des Platzes untergebracht. Deshalb
war damals die inoffizielle Bezeichnung Weapon Training Squadron 402 üblich, die man heute noch in historischen Aufzeichnungen über die RAF findet.
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Zielschlepper Hawker Tempest TT.5 (Foto: Günter Schröder, Westerland)
Auf der Ramp vor dem Hangar 401 (Vampire, Sabre, Hunter) (Foto: Günter Schröder, Westerland)
Gloster Meteor F.8 und T.7 (Foto: Günter Schröder, Westerland)
Zur Absicherung des Schießgebiets sowie für Rettungs- und Übungseinsätze wurden in List und Hörnum
Flugsicherungsboote der Marine Craft Section stationiert. Zudem standen auf dem Platz Rettungshubschrauber vom Typ Bristol Sycamore HR.14 zu Verfügung.
Flugsicherungsboote im Lister Hafen Anfang der Fünfziger Jahre (Ansichtskarte Cramer, Dortmund)
Flugsicherungsboot auf der Ablaufbahn am Lister Hafen
1955 erhielt die Royal Air Force fünf dieser bei Kröger in Rendsburg gebauten Boote. Drei von ihnen wurden 1961
von Bundesmarine übernommen. Möglicherweise ist heute noch eines dieser Boote beim spanischen Zoll im Einsatz. (Ansichtskarte Cramer, Dortmund)
Bristol Sycamore (XL827) der Royal Air Force landet bei der Nordseeklinik (Foto: Sylter Rundschau)
Anfang der Fünfzigerjahre entstanden im Süden Am Seedeich und im Norden von Westerland in der Nordmarkstraße
, Nordkamp, Norderstraße, Steinmannstraße und der Uthlandstraße Wohnungen für das britische Stammpersonal
und deren Angehörigen sowie eine Schule (am linken Bildrand, später Nordkampschule, heute Kindertagesstätte).
Am rechten Bildrand befindet sich heute der Kreisel mit der Roland Statue. (Foto ca. 1955)
Wohnhäuser am Seedeich
Unter dem Eindruck der Berlinblockade und des Koreakrieges wurde die Zahl der in Deutschland stationierten
britischen Staffeln ab 1951 erheblich erhöht und ehemalige Flugplätze der Wehrmacht reaktiviert. In gleichem
Maße nahm auch der Übungsbetrieb auf Sylt zu. Anfang der Fünfzigerjahre waren auf knapp einem Dutzend
Flugplätzen in Norddeutschland britische Staffeln stationiert, die nun regelmäßig zweimal im Jahr für jeweils vier
Wochen nach Sylt verlegten. Das Bodenpersonal der Staffel kam mit Fahrzeugen und per Autozug nach Sylt. Bis zu vier Staffeln befanden sich dann gleichzeitig auf dem Sylter Flugplatz.
Hawker Hunter Mk 4 der 98 Squadron aus Jever im Februar 1957 auf der Ramp vor dem Hangar 401 Heute befindet sich hier ein Gewerbegebiet
(Foto: rafjever.org)
Im August 2006 an gleicher Stelle Bauarbeiten im neuen Gewerbegebiet
Neben der Royal Air Force nutzte ab 1954 auch die Belgische Luftwaffe den Platz, die zu diesem Zweck Flugzeuge
zum Zielschleppen in Westerland stationierte und dann regelmäßig Staffeln aus Belgien zum Schießtraining nach Sylt verlegte.
Ab 1958 verlegten dann auch Staffeln der Luftwaffe der Jagdgeschwadern 71 in Ahlhorn, 72 in Leck und 73 in
Oldenburg zum Training nach Sylt.
Der Übungsbetrieb begann morgens mit dem Start eines Flugzeugs zur Wettererkundung. Stündlich wurde zudem
überprüft, ob das Seegebiet unter den Übungsräumen frei von Schiffen war. Zum Schießtraining schleppte ein
Flugzeug ein ca. 8 m langes und 2 m breites Banner an einer langen Schleppleine. Die übenden Piloten flogen dann
das Schleppziel seitlich an und schossen mit ihren Bordwaffen. Zur Trefferauswertung waren die Geschosse
individuell mit Farbe markiert, sodass sie bei Treffern Farbspuren auf dem Schleppziel hinterließen. Die Staffel, die
im Laufe eines Jahres die besten Schießergebnisse erzielte, wurde mit der „Duncan Trophy“ ausgezeichnet.
Eine Hawker Hunter T.7 (XL612) der Station Flight (WST 402) im März 1959 auf Sylt vor dem Hangar 402
Das Flugzeug wurde im Januar 1959 von der Royal Air Force übernommen.
Sie war die letzte Hawker Hunter im Einsatz bei der RAF und flog das letzte Mal am 10. August 2001 und befindet sich
heute in Privatbesitz. Es gab wohl Pläne, das Flugzeug wieder flugfähig zu restaurieren, die sich aber bis heute nicht realisieren
ließen. Seit 2012 ist das Flugzeug auf dem Flugplatz Swansea abgestellt. (Foto: rafjever.org)
Der Fluglärm war für die Insel Sylt eine erhebliche Belastung, vor allem in den Sommermonaten, bei langem
Tageslicht und gutem Wetter. Daher waren die Vertreter der Sylter Kommunen seit Anfang der Fünfzigerjahre
immer um eine Reduzierung des Flugbetriebs bemüht, was allerdings vergeblich war. Der Umfang des damaligen
Flugbetriebs war aus heutiger Sicht fast unglaublich. Bei gutem Wetter gab es bis zu 6200 Flugbewegungen (Starts
und Landungen) im Monat. An Spitzentagen wurden bis zu 460 Flugbewegungen erreicht. Zum Vergleich: Der größte
internationale Flughafen in Deutschland, der Rhein - Main - Flughafen in Frankfurt, hatte 1960 im Durchschnitt
täglich ca. 220 Flugbewegungen. Die Triebwerke der Kampfflugzeuge waren zudem erheblich lauter als die heutiger Verkehrsflugzeuge.
Wie Presseberichte aus der damaligen Zeit zeigen, war insbesondere der kommandierende Offizier Group Captain T
. W. Kean während seiner Dienstzeit auf Sylt von 1956 bis 1959 um eine positive Darstellung der Royal Air Force in
der Öffentlichkeit und um ein gutes Verhältnis zur Sylter Bevölkerung und ihren Gästen bemüht. So gab es bei
Zwischenfällen, die damals nicht selten waren, meistens ausführliche und offene Presserklärungen. Wegen seines
korrekten Führungsstils wurde Kean von seinen Untergebenen auch als „der Preuße“ auf dem Flugplatz bezeichnet.
Während seines Kommandos wurde von 1957 bis 1959 jeweils im August ein Flugtag veranstaltet, bei dem es auch
spektakuläre Flugvorführungen gab, wie z.B. das Solodisplay von Flight Lieutenant Kenneth Goodwin von der 118
Squadron in Jever, das Aerobatic Team der 93 Squadron aus Jever mit vier Hunters und die „Black Arrows“ von der
111 Squadron aus Wattisham. Obwohl diese Veranstaltungen jeweils an einem Donnerstagnachmittag stattfanden,
waren sie mit über 15000 Zuschauern sehr gut besucht und es kam in Westerland zu einem kleinen Verkehrschaos zwischen Bahnhof und Flugplatz.
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“Black Arrows”beim Flugtag am 5.8.1959 über dem Sylter Flugplatz (Sylter Rundschau vom 6.8.1959)
Ab 1957 wurden die Mehrzahl der britischen Staffeln in Deutschland dann wieder aufgelöst und der Sylter Flugplatz
verlor damit seine Bedeutung für die Royal Air Force. Im Oktober 1961 übernahm die Luftwaffe den Platz, der in den
folgenden elf Jahren von der zum Luftwaffenversorgungsregiment 7 in Husum gehörenden Schießplatzstaffel
betrieben wurde. Der Übungsbetrieb wurde zwar fortgeführt, aber in sehr viel geringerem Umfang als vorher.
Einige britischen Soldaten blieben auf Sylt „hängen“ und gründeten hier Familien. Bei vielen damals auf Sylt
stationierten Soldaten gilt Sylt bis heute als „magic place“ und sie haben, abgesehen vom rauhen Wetter in den
Wintermonate, überwiegend gute Erinnerungen an ihre Dienstzeit hier. Vor einigen Jahren gründeten ehemalige
Angehörige der Royal Air Force, die „Royal Air Force Sylt Association“ (Syltonians). Bereits mehrfach besuchten
Reisegruppen dieser Vereinigung die Insel Sylt. Interessant sind deren Äußerungen über das heutige Sylt: „ Damals war es schöner“. Recht haben sie!
Hinweisschild 2007 noch in englischer Sprache
Der für die Royal Air Force gebaute Hangar 47 wird heute noch genutzt.
Quellen:
Sylter Rundschau 1952 bis 1961 Günter Kipp & Roger Lindsay, RAF Hunters in Germany, 2003 Tim McLelland, The Hawker Hunter, Crecy Publishing 2008 http://www.rafjever.org
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