Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die deutschen Grenzen zunächst durch die Militärbehörden der Besatzungsmächte überwacht. Hier in Norddeutschland war
das der britische Frontier Service, der aber überwiegend deutsches Personal einsetzte. 1952 wurde wieder mit dem Aufbau einer dem Bundesfinanzministerium unterstehenden deutschen Zollverwaltung
begonnen. Einige der Sylter Kollegen waren bereits bei den Engländern im Dienst gewesen und wurden dann von der deutschen Zollverwaltung übernommen.
Ausbildung

Ausbildung zum Tischler in Husum (1950-1953) - mit dem Möbelwagen auf dem Nordstrander Damm (1954)
Nach dem Schulabschluss absolvierte ich eine Berufsausbildung zum Tischler und arbeitete zwei Jahre in diesem Beruf. 1954
bewarb ich mich zunächst beim Bundesgrenzschutz. Bei der Eignungsprüfung in Glückstadt sah ich dann, wie BGS-Rekruten
auf dem Kasernengelände geschliffen wurden. Für mich stand sofort fest, das ist nichts für dich. Ich hatte von 1941 bis
Kriegsende die vormilitärische Erziehung beim “Jungvolk” erlebt, wo man sich bemühte, Kinder zu kaltblütigen Killern zu
machen. Seither hatte ich eine Abneigung gegen alles Militärische. Einige Wochen später erhielt ich dann die Aufforderung,
mich zum Dienstantritt beim BGS in München einzufinden. Ich warf dieses Schreiben sofort weg. Zu den “Kraxelhubern”
wollte ich natürlich auch nicht. Einige Zeit später erschien bei meiner Arbeitsstelle ein Polizist, um nachzufragen, warum ich
den Dienst beim BGS nicht angetreten hatte. Ich erklärte ihm, dass ich nicht mehr die Absicht hätte zum BGS zu gehen und
damit war die Sache erledigt. Im Herbst 1954 bewarb ich mich dann auf Anraten eines Freundes für den mittleren Dienst bei
der Zollverwaltung. Voraussetzungen für die Einstellung waren damals der mittlere Schulabschluss, ein Mindestalter von 21
Jahren und eine abgeschlossene Berufsausbildung. Auf meine Bewerbung hin bekam ich die Aufforderung, mich zur
Eignungsprüfung beim Hauptzollamt Husum einzufinden. Diese Prüfung bestand aus einem Diktat, einem Aufsatz und einer
Mathematikprüfung. Nach der amtsärztlichen Untersuchung erhielt ich die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch mit dem
Hauptzollamtsvorsteher in Husum. An einem Wochenende erschien bei uns zu Hause der Husumer Zollkommissar zu einem
Gespräch, um sich über meine persönlichen Verhältnisse zu erkundigen. Zufällig erfuhr ich, dass man sich auch bei meinen
Lehrbetrieb nach mir erkundigt hatte. Am 2. Mai 1955 begann dann die viermonatige Ausbildung an der Zollschule in Flensburg , die damals in der Marineschule in Mürwik untergebracht war.
Bis Ende Januar 1956 folgte dann die Praxis im Grenzdienst an der Zonengrenze, wie es damals hieß, bei der
Ausbildungsgrenzaufsichtsstelle in Gudow (Kreis Herzogtum Lauenburg). Die innerdeutsche Grenze wurde ebenfalls durch
den Bundesgrenzschutz (BGS, heute Bundespolizei) überwacht. Das Verhältnis zum BGS war aber nicht gut. Die Zollbeamten
machten ihre Streifen zu Fuß, während die BGS Beamten in Fahrzeugen die Grenze kontrollierten. Oft trafen wir im Dienst den
BGS. Dann wurde die Seitenscheibe heruntergekurbelt und wir wurden gefragt, ob es etwas Neues gäbe. Diese Neuigkeiten
meldeten die Beamten dann ihrer Dienststelle. Während meiner Zeit in Gudow wurde nach zwei britischen Soldaten aus
Lüneburg gefahndet, die desertiert waren und die Absicht hatten, in die DDR zu flüchten. Abends waren mein Kollege und ich
auf dem Weg zum Streifendienst am Segrahner Berg, als uns bei Sophiental eine gestikulierende Bauersfrau entgegen kam.
Sie berichtete, dass in ihrer Küche zwei britische Soldaten sitzen würden. Wir folgten ihr und trafen vor dem Haus auf den
Dorfpolizisten, der sich allein nicht ins Haus traute. Wir gingen hinein und fanden in der Küche die beiden völlig erschöpften
Briten vor, die froh waren in der Wärme zu sitzen und etwas essen zu können. Nach einiger Zeit erschien der BGS und nahm
die beiden in Gewahrsam, um sie dem britischen Militär zu übergeben. Am Tag darauf hatte ich einige Tage dienstfrei und
machte mich auf den Weg nach Husum. Am Bahnhof in Mölln kaufte ich mir eine Zeitung und las, dass der BGS zwei
desertierte britische Soldaten aufgegriffen hätte. Wenige Tage später erhielten wir dann die Anweisung, keine Informationen mehr an den BGS weiterzugeben.
Zum Ende der Ausbildung ging es dann noch für ein Vierteljahr zum Abschlusslehrgang an die Zollschule Bad Gandersheim.
Einführungslehrgang an der Zollschule in Flensburg Mürwik
obere Reihe stehend von links: ZOI Schröder (Klassenlehrer), Harald Bernau, Martin Hinz, Klaus Kock, ?, Dieter Gemein,? (Hamburger),
Hans Grulich, ? (Hamburger), Lothar Zöls, Hans Hermann Paulsen, ?, Schlenz, Schießlehrer, ? (Hamburger)
untere Reihe kniend: Hein Bliemeister, Werner Tilgner, “Flocki”Bökenberg, ?, ?

Dieses Gebäude in Gudow war damals die Unterkunft für die Zollanwärter
Grenzaufsichtsstelle List auf Sylt
Nach bestandener Zollassistentenprüfung wurde ich zum 1. Mai 1956 an die Grenzaufsichtsstelle (GASt) List auf Sylt versetzt.
Von allen Lehrgangsteilnehmern wurde ich als einziger an die Westküste versetzt, vielleicht, weil ich von dort kam. Fast alle
anderen wurden an Dienststellen an der Zonengrenze versetzt, wo sie dann etwa für fünf Jahre blieben, bis sie sich an andere
Dienstorte versetzen lassen konnten. Die große Zahl von Zollbeamten an der innerdeutschen Grenze hatte ihren Grund darin,
dass die Bundesrepublik diese Grenze nicht als politische Grenze, sondern als Wirtschaftsgrenze ansah.
Als ich mich am 2. Mai 1956 bei meinem Vorgesetzten beim Zollkommissariat in der Gotteskoogstraße in Niebüll zum
Dienstantritt meldete, erfuhr ich den Grund, warum ich und zwei etwas älteren Kollegen nach List versetzt worden waren,
verbunden mit einer deutlichen Warnung. Zwei Beamte waren wegen Unregelmäßigkeiten im Dienst fristlos entlassen
worden und ein weiterer hatte gekündigt, weil er eine Anstellung bei einer Spedition angenommen hatte. Ich nahm noch
einen alten Karabiner 98 für die Dienststelle in List in Empfang und machte mich so bewaffnet mit der Bahn und dann weiter mit der Inselbahn auf den Weg nach List.
Damals bestanden außer der Grenzaufsichtstelle in List (besetzt mit drei Beamten) auf Sylt noch weitere in Keitum (zwei
Beamte) und in Hörnum (drei Beamte). Zudem gab es in Westerland einen Beamten als Abteilungsführer für die gesamte
Insel Sylt. Einige Jahre zuvor hatte es noch weitere Grenzaufsichtsstellen auf dem Ellenbogen, in Kampen und in Morsum
gegeben. Das zuständige Zollkommissariat für die Sylter Grenzaufssichtstellen in Niebüll, war besetzt mit einem Zoll-
kommissar (ZKom), einem Vertreter des Zollkommissars (VZKom) und einem Beamten zur besonderen Verwendung (BzbV).
Das zuständige Hauptzollamt (HZA) befand sich damals noch in Husum. Auf Sylt gab es neben den drei Grenzaufsichtsstellen noch das Zollamt in der Boysenstraße in Westerland und die Zollschiffstation in Hörnum.
Bis ich für meine kleine Familie eine Dienstwohnung des Bundes in List Am Brünk zugewiesen bekam, wohnte ich bei einer
Lister Familie zur Untermiete und ging zum Mittagstisch in die Gaststätte "Königshafen". Meine Vermieter wollten allerdings
das Zimmer im Sommer an Badegäste vermieten und ich hätte dann Probleme gehabt eine andere Unterkunft zu finden. Ich
machte ihnen daher den Vorschlag, dass ich für die Gästezimmer zwei Kleiderschränke bauen würde, die ihnen noch fehlten,
wenn ich weiterhin bei ihnen wohnen dürfte. Sie gingen auf den Vorschlag ein und ich fertigte ihnen in der Tischlerei Boy
Christiansen die beiden Schränke. Der Inhaber der Tischlerei war mir gegenüber immer sehr großzügig und ich konnte seine
Werkstatt im Laufe der Jahre mehrfach nutzen, um für unseren Haushalt einen Küchentisch, Stühle, Küchenschränke und für
die Stuben drei Tische und ein Sideboard zu bauen. Anfangs war das Gehalt als Zollbeamter alles andere als üppig. Nach der
Besoldungstabelle von 1956 betrug das Bruttogehalt in der Gehaltsgruppe A5 und der niedrigsten Dienstaltersstufe 361,68
DM. Beim Husumer Möbelhaus "Möbelquelle" hatte ich als Tischler und Auslieferungsfahrer mit Überstunden und
Zuschlägen gut das Doppelte verdient. Trotzdem zog ich die sichere Anstellung beim Zoll zum Unverständnis mancher
Kollegen vor, denn ich hatte es in meinem Ausbildungsbetrieb erlebt, dass es auch Zeiten mit wenig Aufträgen gab. Anfang
der Fünfzigerjahre war vom Wirtschaftswunder in Nordfriesland noch nicht viel zu merken und die Arbeitslosigkeit war noch hoch.
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In diesem Gebäude auf dem Ellenbogen in der Nähe des Westleuchtturms wohnten noch in den ersten Jahre nach Kriegsende die beiden Beamten der Grenzaufsichtsstelle Ellenbogen
mit ihren Familien. Es wurde im im Jahr 2010 abgebrochen.
Im Zollhaus an der Listlandstraße befanden sich damals zwei Dienstwohnungen für die Lister Zollbeamten. (Foto von 1974)
Im Januar 1959 konnten wir dann die Dienstwohnung im Zollhaus in der Listlandstraße beziehen, mussten aber bereits im
Sommer wieder ausziehen und für einige Monate in einer Behelfswohnung in der Hafenstraße (heute gehören diese Gebäude
zum Alfred Wegener Institut) wohnen, da das Zollhaus umgebaut und renoviert wurde. Anfang 1960 zogen wir dann zurück in
das nun deutlich komfortablere Zollhaus. Ofenheizung war aber damals noch die Regel. Bis wir eine Waschmaschine kauften,
wusch meine Frau die Wäsche in den ersten Monaten noch in einem kohlebeheizten Waschzuber in der Waschküche im
Keller. Ich glaube, dass die Waschmaschine für den Haushalt der wichtigste Fortschritt war.
Der Zuständigkeitsbereich der GASt List umfasste den gesamten Teil der Insel Sylt nördlich der Vogelkoje Kampen. Der
Bereich der GASt Keitum reichte im Norden bis Kampen, im Süden bis Puan Klent und im Osten bis zum Hindenburgdamm.
Zum Hörnumer Bereich gehörte das Gebiet südlich von Puan Klent. 1960 wurden die Stelle des Abteilungsführers in
Westerland und die GASt Keitum aufgelöst und in Westerland eine GASt mit einem Beamten eingerichtet.
Das ehemaliges Zollhaus im Gurtstig Ecke Melnwai in Keitum dient heute als Ferienhaus (Foto von 2007)

In diesem Haus in der Lornsenstraße 4 befand sich die Dienstwohnung für den Beamten der
Grenzaufsichtsstelle Westerland (Foto von 1967). Die Bausubstanz dieses Hauses war bis zum Umbau 1968 aber nicht gut, da es ursprünglich nur als Sommerhaus gebaut war.
Aufgaben der Grenzaufsichtsstellen
Aufgabe des Grenzaufsichtsdienstes war die Überwachung der Zollgrenze. Die Zollgrenze war im Westen die Strandlinie und
im Osten verlief die Zollgrenze nach Dänemark durchs Wattenmeer.
Diese Baken auf dem Ellenbogen markieren den Grenzverlauf zwischen Deutschland und Dänemark im Wattenmeer. Auf dem dänischen Festland gibt es entsprechende Markierungen.
Die gesamte Insel Sylt war Zollgrenzbezirk. Im Zollgrenzbezirk hatte der Zoll seine besondere Aufgabenberechtigung. Im
Bereich der GASt List gab es drei Streifenwege von jeweils ca. 20 km Länge: Von List bis zum Ostleuchtturm auf dem
Ellenbogen, von List bis zum Kilometerstein 34 im Listland und von List am Oststrand entlang bis Klappholttal. Zwei Beamte
machten den Dienst mit dem Fahrrad, der Postenführer mit dem Moped, weil seine Streifenwege bis in den Keitumer Bezirk
reichten. Der Dienst war zeitlich jeden Tag unterschiedlich. Eine Streife dauerte immer sechs Stunden. Der Postenführer
stellte jeweils für zehn Tage (eine Dekade) einen Dienstplan auf und legte diesen dem Kommissar zur Genehmigung vor. Die
Dienstzeiten wurden jedoch nur für jeweils drei Tage im Dienstbuch vorgeschrieben, sodass man nur für maximal drei Tage
im Voraus wusste, wann man Dienst hatte. Der Streifendienst erfolgte zu jeder Tages- und Nachtzeit und musste bei jedem
Wetter angetreten, durfte aber bei extremer Wetterlage, wie z.B. orkanartigem Sturm oder extremer Kälte abgekürzt werden.
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Die drei Streifenwege im Listland Die auf dem Bild sichtbare Straße von Blidsel nach List wurde erst 1965 gebaut.. (Foto: Google Earth)
Anfangs trug ich in List im Dienst am Hafen wie in der Ausbildung vorgeschrieben die Dienstwaffe. Bei einer Kontrolle fragte
ein Vorgesetzter, ob ich vorhätte, jemanden zu erschießen, was ich natürlich verneinte. Ich erhielt die Anweisung, die Waffe
nicht mehr zu tragen. Gut 20 Jahre später erlebten die Lister Kollegen während des "Deutschen Herbstes" 1977 auch andere
Zeiten. Ein Kollege musste den kontrollierenden Beamten an der Autofähre mit der Maschinenpistole sichern. Man wusste
damals aber nicht, dass tatsächlich ein Mitglied der "Rote Armee Fraktion" ("Baader-Meinhof-Bande") Sylt als Versteck
nutzte. Wir mussten regelmäßig unser Schießtraining absolvieren aber zum Glück kam es nie vor, dass ein Kollege auf Sylt die
Waffe benutzen musste, abgesehen von einem Vorfall 1983, als ein niederländischer Fischkutter nur durch Warnschüsse mit dem MG vom Hörnumer Zollkreuzer gestoppt werden konnte.
Für die Zollgrenzbeamten gab es zu dieser Zeit für jedes Wetter angemessene Dienstkleidung. Es gab z.B. einen sehr guten
langen Regenmantel der Firma BeKa, in den in der kalten Jahreszeit ein Teddyfutter eingeknöpft werden konnten. Für den
Winter gab es außerdem einen mit Moltopren gefütterten “Tarnanzug”, der aus einer Hose und einer Jacke mit einer
kunststoffbeschichteten Tasche für die Pistole bestand. Zu dem Anzug gab es eine mit Biberfell gefütterte Pelzkappe und
gefütterte Nappalederhandschuhe. Auch Minusgrade konnte man damit gut ertragen. Für Regenwetter gab es Gummistiefel
mit Filzlingen , die die Füße warm hielten. Beim Dienstantritt in List wollte ich mir ein Paar Schaftstiefel kaufen. Schuster
Boysen in List machte mir das Angebot, dass er zu dem Preis auch ein Paar lammfellgefütterte Stiefel nach Maß anfertigen
könnte. Diese ausgezeichneten Stiefel trug ich dann bis zum Ende meiner Grenzdienstzeit 1967.
Auf dem Streifenweg gab es bestimmte Punkte, die zu bestimmten Zeiten abgelaufen werden mussten. Bei einem Punkt war
eine Postierung von einer halben Stunde vorgeschrieben, an einem zweiten Punkt eine Anlaufzeit von einer Viertelstunde. Die
Einhaltung der Postierungen wurde von Vorgesetzten ohne Vorankündigung kontrolliert. Diese Kontrollen dienten aber nicht
nur der Überprüfung, sondern auch der Sicherheit der Beamten, denn die Streifenwege führten andernorts durch noch unwegsameres und einsameres Gelände als auf Sylt.
Nachdem ich bereits einige Zeit auf Sylt war, wechselte der Kommissar in Niebüll. Der neue “Alte” hatte besondere Methoden, um
den Kollegen Unregelmäßigkeiten im Streifendienst nachzuweisen. Einen Kollegen auf dem Festland hatte er bereits erwischt. Auf
Sylt ließ er sich nachts mit dem Zollkreuzer von Hörnum auf die Westseite der Insel fahren und dort mit dem Schlauchboot am
Strand absetzen. Von dort lief er über die Dünen zur Straße und fand dort einen Kollegen an seiner Postierung schlafend vor. Auch
mich versuchte er auf dem Streifenweg am Oststrand nach Blidsel zu erwischen, fand aber den Postierungspunkt auf einer Düne
abseits der Straße zunächst nicht, weil er das Gelände noch nicht gut kannte. Während einer Nachtstreife befand ich mich bei der
Strandhalle in List und hörte bei völliger Windstille auf der Straße Schritte, die sich von Süden näherten. Ich sah im Fernglas eine
Person, konnte aber nicht erkennen, wer der nächtliche Wanderer war, der in Richtung List weiterging. Als ich später zum Hafen
kam, um meine Streife zu beenden, fand ich dort den Kommissar vor, der mich kontrollieren wollte. Der Zoll hatte damals auf Sylt
kein eigenes Fahrzeug. Wenn der Kommissar zur Kontrolle kam, wurde er mit dem Auto des Bundesvermögensamtes gefahren,
einem VW Käfer Standart mit der Behördenzulassung NIB 1. Besonders nachts konnten wir natürlich am typischen Motorgeräusch
hören, wenn der “Alte” kam. Wie mir der Fahrer Hermann Stückmark später erzählte, hatte sich der Kommissar in dieser Nacht
bereits in Blidsel absetzten lassen und ihm aufgetragen nach Westerland zurückzufahren und war zu Fuß nach List gelaufen. Auf
diese Weise wollte er verhindern, dass ich frühzeitig etwas von seiner Kontrolle am Hafen mitbekam.
Beispiel einer Streife zum Ellenbogen
Die Steife begann z.B. um 6 Uhr morgens am Lister Hafen, führte durch den Ort, dann auf der Möwenbergstraße Richtung
Ellenbogen. Entlang des Weges musste man mehrfach auf eine hohe Düne steigen, um das Wattenmeer zwischen Ellenbogen und List zu beobachten. Um 8 Uhr war dann am „Gleisdreieck“1 eine Postierung von einer halben Stunde vorgeschrieben. Um
8.30 Uhr wurde die Streife dann zur Ellenbogenspitze fortgesetzt, wobei man dann auch mehrfach über den Dünenkamm z.B.
am Westfeuer oder am Ostfeuer an den Strand gehen musste. An der Ellenbogenspitze war dann eine Anlaufzeit von 10.25
Uhr bis 10.40 Uhr vorgeschrieben, während der man sich dort aufzuhalten hatte. Dann ging es zurück zum Lister Hafen. Eine Viertelstunde vor Eingang (12 Uhr) durfte man dort wieder eintreffen.
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1 „Gleisdreieck“ bezeichnete die Abzweigung der Schmalspurbahn zum Ellenbogen. Die Bezeichnung stammte noch aus der Zeit des
Zweiten Weltkrieges. Damals gab es ein militärisches Versorgungsgleis, das an der Blidselbucht abzweigte und parallel zur Straße nach
Norden bis nach List führte, mit einer Abzweigung zum Ellenbogen. An dieser Abzweigung gab es ein Gleisdreieck. Die alten
Bahntrassen sind teilweise heute noch erkennbar. Wo sich heute der asphaltierte Fahrradweg befindet, verlief damals das Gleis.
Im Regenmantel und mit Gummistiefeln mit Zollhund “Arko” am Ellenbogen
“Arko” war Anfang der Sechzigerjahre der Diensthund meines Lister Kollegen Herbert Lemke. Der Schlagbaum diente der Royal Air Force damals zum Absperren
ihres Schießplatzes auf dem Ellenbogen während des Übungsbetriebes.
Neben dem Grenzaufsichtsdienst gehörte zu den Aufgaben der Grenzaufsichtsstellen die Überwachung der Häfen in List und
Hörnum. Ein Schwerpunkt der GASt Keitum war auch der Westerländer Flugplatz, der bis 1961 von der britischen Royal Air Force genutzt wurde.
Der Lister Hafen
List um 1955 (Ansichtskarte Cramers Kunstanstalt KG, Dortmund)
Lister Hafen 1956
Lief während des Streifendienstes ein unbekanntes Schiff den Lister Hafen an, wurde die Streife sofort abgebrochen und mit
dem Fahrrad zurück zum Hafen gefahren, um das Schiff gegebenenfalls abzufertigen. Häufig kam es z.B. vor, dass deutsche
Fischkutter aber auch niederländische Hochseekutter List als Schutzhafen anliefen. Bei schlechtem Wetter lagen dann bis zu zwölf der großen Kutter im kleinen Lister Hafen.
Anfang der Sechzigerjahre war dies bei schlechtem Wetter ein häufiges Bild im Lister Hafen.
Da diese Kutter zum Fischfang immer für mehrere Tage auf See waren, hatten sie zollfreien Proviant an Bord. Entsprechend
der Anzahl der Besatzungsmitglieder wurde Proviant für drei Tage frei gegeben und der übrige Proviant verschlossen und
dieser Bestand in eine Schiffsbedarfsliste eingetragen. Lief das Schiff dann wieder aus, wurde der gesamte Proviant wieder
frei gegeben oder bei längeren Liegezeiten wurde nach drei Tagen das anfangs beschriebene Verfahren wiederholt.
Wichtig für den Dienst war auch ein gutes Verhältnis zu anderen Behördenmitarbeitern, besonders zum Lister Hafenmeister
Hansi Martens, auf dessen Unterstützung wir uns immer verlassen konnten. Sehr selten aber ärgerlich war das Verhalten
einzelner Mitarbeiter der Sylter Kurverwaltungen, die in völliger Unkenntnis unser Befugnisse meinten, mir Anweisungen
erteilen zu können. Dies passierte mir einmal in List und Jahre später in Westerland, als ein Kurkartenkontrolleur mir den Zugang zur Promenade verweigern wollte.
Von List aus fuhren bereits 1956 zwei Ausflugsschiffe nach Dänemark. Die „MS Nordland“ der Kurverwaltung Westerland
fuhr täglich nach Hoyer Schleuse. Das zweite Schiff, die „MS Ekke Nekkepen“ fuhr zur Insel Röm. Dort gab es damals noch
keinen Hafen, sodass die Fahrgäste mit einem Pferdefuhrwerk vom Schiff geholt werden mussten. Der Hafen in Havneby auf
Röm wurde für dänische Fischer aus Esbjerg erst einige Jahre später angelegt. Die Fahrgäste wurden bei der Ausreise
passrechtlich abgefertigt. Für die Zollabfertigung der Fahrgäste hatte die Kurverwaltung Westerland 1955 in der Nordecke des Lister Hafens eine Holzbarracke bauen lassen.
Der Lister Hafen 1958 Von rechts: Ausflugsschiff “Nordland”, Ausflugsschiff “Ekke Nekkepen”,
der große Kutter “Uthörn” gehörte der Biologischen Anstalt Helgoland, die damals bereits eine Forschungsstelle in List unterhielt
(Ansichtskarte Verlag Schöning & Co., Lübeck)
Vor der Abfertigungsbaracke am Lister Hafen (ungefähr 1960), sie wurde im Jahr 2000 abgebrochen.
Bei der Einreise kam zur passrechtlichen auch noch die zollrechtliche Abfertigung. Ungefähr 1960 nahm dann die dänische
Lindinger Reederei den Verkehr mit dem Fahrgastschiff „Rømø“ zwischen Röm und Sylt auf. Einer der Hauptgründe für diese
Fahrten war der Verkauf zollfreier Waren auf See. Zudem waren damals Grundnahrungsmittel in Dänemark noch deutlich
billiger als in Deutschland. Jeder, der eine Einkaufstüte mit Waren mitbrachte, musste diese nach pauschalierten
Eingangsabgaben verzollen. Die Wyker Dampfschiffs-Reederei fuhr einmal pro Woche von List nach Esbjerg in Dänemark. Diese Fahrten wurden aber nach kurzer Zeit wieder eingestellt.
Anzeige in der Sylter Rundschau von 1960

Mit meinem Kollegen Stresing (links) vor der Abfertigungsbaracke (etwa 1960)
Als Folge der Kuba Krise wurde ab Herbst 1962 für mehrere Monate ein Treibstofftanker der NATO auf der Reede vor List
stationiert, auf dem alle drei Tage zollfreier Proviant freigegeben werden musste. Das Übersetzen auf den Tanker war eine unangenehme und bei schlechtem Wetter auch gefährliche Tätigkeit.
Im Sommer 1963 ein typisches Bild: Im Lister Hafen liegen Krabbenkutter aus Husum und Tönning.
Die gefangenen Krabben wurden damals noch in List angelandet und mit einem Kühlwagen der Firma Nohme nach Tönning gebracht.
Mit der Fertigstellung des Hafens Havneby auf der dänischen Insel Röm war der umständliche Transport von Sylt nicht mehr nötig, da es bereits den Straßendamm nach Röm gab.
Im Hintergrund sieht man den NATO-Tanker auf Reede liegen. (Ansichtskarte Schöning & Co., Lübeck)
Übersetzen zum NATO-Tanker mit einem V-Boot der Marine (Sommer 1963)
Auch die Flensburger Förde Reederei setzte ihr Fahrgastschiff “Duburg” für Fahrten nach Havneby ein, stellte diese
Aktivitäten aber bald wieder ein.
Lister Hafen im Sommer 1963, rechts liegt im Hafen das Flensburger Fördeschiff “Duburg” (Ansichtskarte Schöning & Co., Lübeck)
Das Zollhaus in List - auf dem Weg zum Dienst am Hafen (Sommer 1964)
Fährverbindung nach Röm
Ab 1964 nahm die Lindinger Reederei den Fährbetrieb zur dänischen Insel Röm mit der Autofähre „Anø“ auf. Die erste Fahrt
von Havneby nach List fand bei stürmischem Wetter statt, sodass das Schiff wegen des starken Flutstroms zunächst nicht an
der Verladebrücke südlich des Hafens anlegen konnte. Die Fähre musste bis zum Tidenwechsel für ca. zwei Stunden an der
Nordmole des Hafens festmachen, um die Fahrgäste von Bord zu lassen. Nur die Fahrer der Fahrzeuge blieben an Bord, bis das Anlegen an der Verladebrücke und das Entladen möglich war.
Passkontrolle an der Lindingerbrücke (1964)
Wegen des stark steigenden Fahrgastaufkommens wurde bereits ab 1958 in den Sommermonaten zunächst ein Beamter, in
den folgenden Jahren dann mehrere Beamte vom Festland zur Verstärkung an die GASt List abgeordnet. Von 1964 bis 1967
wurde zusätzlich ein Beamter des gehobenen Dienstes während der Saison als Abfertigungsleiter abgeordnet. Ab Januar 1968
wurde in List dann eine Abfertigungsstelle mit zwei Innendienstbeamten eingerichtet. Ungefähr 1970 wurde dann die GASt
List aufgelöst und die beiden Grenzbeamten an die Abfertigungsstelle List versetzt.
Bereits Anfang der Sechzigerjahre machte die Wyker Dampfschiffs - Reederei einmal wöchentlich eine dreistündige
Abendfahrt mit dem Fahrgastschiff „Uthlande“ mit bis zu 400 Passagieren. Bei der Abfertigung ertappten wir oft Fahrgäste
beim Schmuggeln, vor allem von Zigaretten. In solchen Fällen musste dann der doppelte Zollsatz entrichtet werden. Diese
Abfertigungen waren unangenehm, da viele Fahrgäste stark alkoholisiert vom Schiff kamen. Drei alkoholisierte Soldaten, die
in List in der Grundausbildung waren, hatten wir beim Zigarrettenschmuggel erwischt. Sie verhielten sich aggressiv und
drohten uns Schläge an. Unser Abfertigungsleiter war Reserveoffizier und rief sofort in der Kaserne an. Minuten später
erschien ein Bundeswehrfahrzeug mit dem wachhabenden Offizier und einem Trupp Soldaten, die die drei Randalierer in
Gewahrsam nahmen. Ihr Verhalten hatte nicht nur für sie, sondern für ihre ganze Kompanie die unangenehme Folge, dass sie noch am selben Abend zu einem längeren Marsch ausrücken mussten.
Grenzaufsichtsstelle Westerland
Im Oktober 1964 wurde ich an die GASt Westerland versetzt, wohnte aber noch bis Oktober 1965 in List, weil die
Dienstwohnung in Westerland noch nicht zur Verfügung stand. Ich wurde nun auch häufig an das Zollamt Westerland oder
die GASt List als Vertretung abgeordnet. Weil der Westerländer Bezirk wesentlich größer als der Lister Bezirk war, erfolgte
der Streifendienst hier mit dem Moped. Das Streifengebiet umfasste den gesamten mittleren Teil der Insel zwischen Klappholttal im Norden und Puan Klent im Süden.
In Winterkleidung: “Tarnanzug” mit Pelzmütze (Februar 1965)
Rückkehr vom Dienst mit dem robusten Zündapp Moped (August 1965)
Zu den Aufgaben im Westerländer Bezirk gehörte die Überwachung der privaten Häfen Munkmarsch und Rantum. Hier
mussten die Betriebs- und Verwendungsbücher kontrolliert werden, in denen die Besitzer von privaten Motorbooten den Verbrauch von steuerbegünstigtem Treibstoff dokumentieren mussten.
Eine weitere Aufgabe war die Überprüfung der Heizölscheine bei den Sylter Brennstoffhändlern. Wegen der
Steuerbegünstigung von Heizöl, musste jeder Verbraucher beim Hauptzollamt einen Heizölschein beantragen, in den die Händler jede Lieferung einzutragen hatten.
Kuriose und außergewöhnliche Ereignisse
Aus meiner Zeit als Grenzbeamter blieben mir einige Vorfällen in Erinnerung.
Der Hafen war schon damals der Hauptanziehungspunkt für die Gäste in List. Im Hafen lag der Rettungskreuzer der
Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, zwei britische Flugsicherungsboote, etliche Fischkutter und einige
Ausflugsboote. An Gebäuden gab es die Tonnen- und die Bootshalle, das Dienstgebäude des Hafenmeisters, in dem auch der
Zoll einen kleinen Dienstraum hatte, sowie die Abfertigungsbaracke des Zolls. An der Hafenstraße, wo sich heute die
Bushaltestelle befindet, stand ein kleines Haus mit der Dienstwohnung des Hafenmeisters. An der Stelle der heutigen
Wattenmeerstation des Alfred Wegener Instituts, standen damals noch die alte Gebäude des Hotels Möwenflug. 1957 erhielt
der Lister Kaufmann Harry Stange die Genehmigung, auf dem Hafengelände einen kleinen Kiosk zu betreiben und der Lister
Fischer Willi Walter verkaufte in einem kleinen Kiosk daneben präparierte Seetiere.
Hotel Möwenflug nördlich des Hafens um 1960
1956 wurde die Bundeswehr aufgestellt und bald erhielten Luftwaffensoldaten ihre Grundausbildung in der Lister Kaserne.
Die Wiederbewaffnung Deutschlands wenige Jahre nach Kriegsende war sehr umstritten. Auf den weitläufigen Betonflächen
des ehemaligen Seefliegerhorstes am Lister Hafen fand nun die Formalausbildung der Rekruten statt und der rauhe
Kommisston der Ausbilder, die damals ehemalige Wehrmachtssoldaten waren, erregte das Missfallen etlicher Badegäste. Es
gab zahlreiche Beschwerden und bald fand die Ausbildung nur noch im Kasernenbereich statt. 1958 wurde die Kaserne an
die Marine übergeben und in den Jahren danach war es üblich, dass Soldaten kompanieweise unter dem Absingen von Marschliedern durch den Ort marschierten.
Der Sylter X. fuhr gemeinsam mit zwei Freunden mit seinem Boot zur zwischen Sylt und Röm liegenden dänischen Hallig
Jordsand, um dort Möweneier zu sammeln, was natürlich verboten war. Bei Jordsand angelangt, zogen die beiden Freunde
ihre Hosen aus und wateten durch das flache Wasser zur Hallig, während X. auf seinem Boot blieb. In Dänemark war dieses
Treiben aber nicht unbemerkt geblieben und bald näherte sich ein dänisches Wachboot. X. machte sich sofort mit seinem
Boot aus dem Staub, flüchtete in deutsche Gewässer und überließ seine Freunde in Unterhosen ihrem Schicksal. Diese wurden von den dänischen Beamten festgenommen und in Tondern inhaftiert.
Zu dieser Zeit fuhr ein anderer Sylter auch häufiger nach Jordsand, um dort Möweneier zu sammeln. In Dänemark war das
zwar verboten, die Einfuhr der Eier nach Deutschland aber nicht. Er verzollte die Möweneier bei uns ordnungsgemäß und verkaufte sie dann an Sylter Gastronomen.
Am 16. Februar 1962 war ich dienstlich in Westerland gewesen und nachmittags auf dem Rückweg mit dem Bus nach List.
Wir hatten schon seit einigen Tagen starken Nordwestwind gehabt und der Wind hatte im Laufe des Tages Sturmstärke
erreicht. Bei der Strandhalle stand das Wasser nun schon an der Straße und am Möwenbergdeich stand das Wasser höher als
ich es jemals gesehen hatte. Das Hochwasser sollte erst am Abend eintreten. Nachts stand ich mehrfach besorgt auf und sah
aus unserem Schlafzimmerfenster. Wir wohnten im ersten Stock und man konnte damals noch vom Zollhaus bis zum
Königshafen sehen. In dieser Nacht wurden an der deutschen Nordseeküste höhere Wasserstände gemessen als je zuvor. In
Hamburg brachen zahlreiche Deiche und in Hamburg Wilhelmsburg kamen 222 Menschen ums Leben. Auf Sylt gab es zwar
beträchtliche Schäden an der Westerländer Promenade, Teile von Hörnum wurden überflutet und auch am Lister Hafen gab es einige Schäden. Der Möwenbergdeich hielt aber stand.
Während einer Nachtstreife war ich auf der Straße von der Strandhalle Richtung Süden unterwegs, als ich von einem Bus der
Bundeswehr überholt wurde, was mir zur Nachtzeit recht merkwürdig vorkam. Einen Moment später näherte sich ein Auto mit
hoher Geschwindigkeit von List und hielt neben mir. Es war der Polizist Hoffmann in seinem Borgward. Er forderte mich auf:
“Steig ein! Du musst mir helfen, wir müssen den Bus anhalten.” Ich stieg ein und es ging mit Höchstgeschwindigkeit auf die
Verfolgung. Bei der Vogelkoje Kampen überholten wir den Bus und ich signalisierte dem Fahrer mit der Kelle, dass er
anhalten sollte. Es stellte sich heraus, dass zwei junge Soldaten den Bus entwendet hatten und nun auf dem Weg nach
Westerland waren, um dort das Nachtleben zu erkunden. Daraus wurde nun leider nichts.
Während einer anderen Streife kam mir abends ein junger Soldat entgegen, der den Bus nach List verpasst hatte und nun zu
Fuß auf dem Weg zur Kaserne war, aber die Sorge hatte, dort verspätet einzutreffen. Ich lieh ihm mein Fahrrad, denn so
würde er sich noch rechtzeitig an der Wache melden können. Er sollte mein Fahrrad an der Wache abstellen, dort würde ich es mir abholen. Der junge Mann war zuverlässig.
An einem frühen Morgen konnten mein Kollege und ich eine potentiellen Selbstmörder retten, der damit drohte sich ins Lister
Hafenbecken zu stürzen. Ein kräftiger Soldat von britischen Flugsicherungsboot kam gerade zum Wasserholen. Wir baten ihn,
den Mann festzuhalten, während wir ihn mit der Leine eines Rettungsrings fesselten. Der von uns herbeigerufene Lister
Polizist Hoffmann und der Arzt Dr. Klockenhoff veranlassten dann alles weitere.
Der Lister Fischer Franz Mai war von einem dänischen Wachboot beim unerlaubten Fischen in dänischen Gewässern
aufgebracht worden. Zwei dänische Beamte kamen an Bord und forderten ihn mit vorgehaltener Waffe auf, sofort den
dänischen Hafen Havneby anzulaufen, was Franz Mai aber nicht im geringsten beeindruckte. Stur hielt er Kurs auf List und lief
mit den beiden entführten Dänen in den Hafen ein und tat so, als würde ihn dieser Vorfall nun nichts mehr angehen. Der
Lister Hafenmeister war zunächst ratlos, was nun zu tun wäre und informierte seine vorgesetzte Dienststelle in Kiel. Dort war
man bemühtet, diplomatische Verwicklungen mit Dänemark zu vermeiden und erteilte die Anweisung, die dänischen Beamten
sofort mit der Autofähre nach Dänemark zurückkehren zu lassen. Franz Mai wurde in Dänemark in Abwesenheit verurteilt und
durfte sich dort nicht mehr sehen lassen. Ihm war das egal, er wollte gar nicht nach Dänemark. Franz war sicherlich kein
besonders umgänglicher Mensch und mancher hatte wohl Schwierigkeiten mit ihm. Ich hatte gelegentlich dienstlich mit ihm
zu tun und das war immer völlig problemlos. Zudem war er einer der Wenigen, dessen Papiere immer hundertprozentig in Ordnung waren.
In einem Bericht der Sylter Rundschau vom 02.07.1965 beschreibt Franz Mai den Vorfall: Neben seinem Kutter befanden sich vier Tönninger und zwei Husumer Kutter in dem Seegebiet.
“Die deutschen Fischer hätten in deutschem Hoheitsgewässern ihre Netze einzuholen begonnen und seien dabei durch
starken Wind über die nur von deutscher Seite gekennzeichnete Seegrenze wenige hundert Meter weit abgetrieben worden,
wie ihnen das beinahe täglich passiere. Sie hätten also nicht in dänischen Hoheitsgewässern gefischt, sondern sie allenfalls befahren.
In hohem Seegang sei plötzlich ein Schlauchboot aufgetaucht mit drei völlig in Ölzeug gekleideten Personen. “Nur die Nase war zu sehen.” Dieses Schlauchboot habe keine Flagge getragen, es sei auch nicht beschriftet gewesen. Plötzlich sei von dem
Schlauchboot aus geschossen worden. Die Fischer hätten die Schlauchbootinsassen zunächst für Sport treibende Badegäste
oder Seehundjäger gehalten. Erst später habe man bemerkt, daß insgesamt 36 Schuß vor den Bug eines Tönninger Kutters
abgegeben worden waren. Von einem dänischen Polizeischiff sei weit und breit keine Spur gewesen. “Mir wurde dann aus dem Schlauchboot zugewinkt”, berichtete Fischer Mai, “und ich winkte freundlich wieder. Auf einmal
hörte ich es knattern, aber ich dachte mir zunächst immer noch nichts dabei.” Bereits in deutschen Hoheitsgewässern, so
erklärte Mai, seien plötzlich zwei der drei Personen aus dem Schlauchboot an Bord erschienen. Sie hätten keinerlei
Rangabzeichen erkennen lassen und weder wie Soldaten noch Polizisten ausgesehen noch sich ausgewiesen. Wegen der
Bewaffnung, so sagt Mai, hätte er zunächst geglaubt, es handele sich um Badegäste oder Piraten, die seinen Kutter stehlen
wollten, vielleicht Agenten, die damit in den Ostblock flüchten wollten. “Da sagte einer zu mir, ich soll Kurs nach Havneby
nehmen. Wieso denn nach Havneby? fragte ich, ich will doch nach List!” Dann kam einer von den beiden ins Ruderhaus mit der Pistole und hat da rumgefummelt und sagte: “Fahren sie nach Havneby! Ich antwortete: Ich denke gar nicht daran!”
Mai hat unmittelbar nach der Rückkehr nach List bei der deutschen Polizei und den deutschen Fischereibehörden Anzeige
erstattet, weil die Dänen in deutschen Hoheitsgewässern an Bord gekommen seien und ihn bedroht hätten.”
Gelegentlich gab es auch Ärger mit Reisenden. Ein Vorfall blieb mir in Erinnerung. Eine Familie wollte einen Ausflug nach
Röm unternehmen. Der Mann hatte allerdings seinen Ausweis vergessen. Ich machte ihm klar, dass ich ihn ohne Ausweis
nicht ausreisen lassen dürfte, zudem würde man ihn in Dänemark nicht einreisen lassen. Damit war er nicht einverstanden, er
war schließlich Staatsrat in Hamburg und wollte unverzüglich meinen Vorgesetzten sprechen. Für die Passkontrolle war
eigentlich der BGS zuständig und diese Aufgabe war dem Zoll nur übertragen worden. Mir kam sofort der Einfall, ihn deshalb
mit dem Grenzschutzamt Flensburg zu verbinden. Die Auskunft, die er dort erhielt, war offensichtlich so deutlich, dass er sich umdrehte und wortlos ging.
Ich war bereits an die Grenzaufsichtsstelle Westerland versetzt worden, als ich am späten Abend einen Anruf von der
Westerländer Polizeiwache erhielt. Ein dänischer Staatsbürger war mit seinem Motorboot am Strand vor der Westerländer
Promenade gelandet und hatte bewaffnet mit einem Gewehr um politisches Asyl gebeten. Ich musste mich nun um das am
Strand liegende Boot kümmern. Ein Anruf in Hörnum ergab, dass der dort liegende Zollkreuzer wegen defekter Radaranlage
nicht einsatzfähig war. Vom Beamten der Wasserschutzpolizei in List wurde schnelle Hilfe zugesagt. Das in Husum
stationierte Polizeiboot würde sofort auslaufen und am frühen Morgen vor Westerland eintreffen. Das dänische Motorboot
wurde dann auf den Haken genommen und zunächst nach List geschleppt. Da Asylgründe im freiheitlichen Dänemark nicht
glaubhaft waren, wurde der Däne mitsamt seinem Boot zurück nach Dänemark gebracht.
Es gab damals noch etliche Strandläufer auf Sylt, die nach Strandgut suchten. In List kam mir während einer Streife am frühen
Morgen ein Mann entgegen, der seine Karre mit Strandholz beladen hatte. Ich kümmerte mich aber nicht weiter darum. Er war
mit seiner Familie nach dem Krieg als Flüchtling nach Sylt gekommen, wohnte noch in der Möwenberg Kaserne und nutzte das
sonst wertlose Holz zum Heizen. Während einer Nachtstreife in Westerland kam mir vom Strand ein Westerländer entgegen,
der seine Handkarre mit einer größeren Anzahl von Dosen mit Motoröl beladen hatte, die eine englische Beschriftung hatten.
Die Dosen hatte er am Strand gefunden. Ich beließ es aber bei dem Hinweis, dass er Strandgut beim Strandvogt abzuliefern
hätte, dem er auch nachkam. Ich stellte dann fest, dass zwischen Hörnum und Westerland wohl hunderte dieser Dosen
angespült worden waren und informierte den Strandvogt in Rantum, der sich um die Angelegenheit kümmerte. Ich musste
mich dann aber um die Entsorgung des Öls kümmern. Für Strandgut waren damals noch bis 1990 die ehrenamtlichen
Strandvögte zuständig, die für ihre Tätigkeit eine kleine Aufwandsentschädigung erhielten. In List hatte damals der Landwirt Niels Diedrichsen dieses Amt für viele Jahre inne.
Sehr viel gefährlicher als dieser harmlose Vorfall war das Strandgut, dass man mehr als 40 Jahre später im März 2007 am
Sylter Strand fand und zu das einem Einsatz 60 Beamten mit 17 Spürhunden auf Sylt, Föhr und Amrum führte. Spaziergänger
hatten am Strand einen Rucksack mit Kokain gefunden. Bei der Suche wurden schließlich weitere Rucksäcke mit Kokain mit
einem Straßenverkaufswert von 1,75 Millionen Euro gefunden. Die Herkunft der Drogen blieb im Dunkeln. Der Vorfall machte
aber deutlich, dass der Zoll heute auch noch auf Sylt wichtig ist. Der Sylter Strand ist zudem EU Außengrenze. Im Februar 2013 wurden an der dänischen Nordsee auf Mandø, Fanø und Blåvand ca. 80 kg Kokain im Wert von 3 Millionen Euro gefunden.
Zollamt Westerland
Das ehemalige Zollamt Westerland in der Boysenstraße (Foto von 2010)
Am 1. Januar 1968 wurde ich für einen pensionierten Kollegen in den Innendienst an das Zollamt Westerland versetzt, das
sich damals noch in der Boysenstraße befand. Ich musste die Dienstwohnung räumen und daher zogen wir im Juni 1968 in
eine Wohnung des Bundes in der Norderstraße, die 1954 für die Engländer gebaut worden war. Am Zollamt gab es damals
sechs Beamte, einen Beamten des gehobenen Dienstes als Vorsteher und fünf Beamte des mittleren Dienstes, davon zwei in
der Abfertigungsstelle und drei in der Zahlstelle des Zollamtes. Zwei Beamte in der Zahlstelle waren allein für die Buchung
der Mieteinnahmen für die Wohnungen des Bundes auf Sylt zuständig. Diese beiden Stellen fielen 1976 weg, als die
Mieteinnahmen für alle Bundesmietwohnungen dann zentral in Bad Godesberg verbucht wurden.
Meine Tätigkeit in der Abfertigungsstelle bestand in der Verzollung von eingeführten Waren. 1968 wurde noch Zoll und
Umsatzsteuer auf die Einfuhren aus allen Ländern erhoben. Diese wurden meistens mit der Post, der Bahn oder auch im
Versandverfahren per LKW angeliefert. Auf Sylt eröffneten in diesen Jahren viele Boutiquen, die Bekleidung und Schuhe
einführten. Es wurde Frischfisch aus Skandinavien importiert, Lachs auch per Luftfracht aus Norwegen. Aus Dänemark wurden
hauptsächlich Möbel und Baustoffe eingeführt. Einen großen Umfang hatten später die Verzollungen der Waren für die so
genannten Butterfahrten. Einzelhändler aus Westerland führten auch Waren direkt aus Hongkong und anderen asiatischen
Ländern ein. Einige Teppichhändler hatten in ihren Geschäften Zolllager. Erst beim Verkauf der z.B. im Iran hergestellten Teppiche wurden diese dann verzollt.
Manche Sylter kauften während des Urlaubs in Tunesien Teppiche, die dann mit der Post zugestellt wurden. Da Tunesien als
ehemalige französische Kolonie präferenzberechtigt war, waren die Teppiche zollfrei und darauf wurde von den tunesischen
Händlern auch ausdrücklich hingewiesen. Bei der Einfuhr wurde aber Umsatzsteuer erhoben, was für die Käufer dann oft eine
unangenehme Überraschung war. Zudem stellten die Händler gelegentlich gefälschte Rechnungen aus, mit einem deutlich
niedrigeren Kaufpreis. Der tatsächliche Wert des Teppichs konnte aber von uns anhand von Qualitätsmerkmalen wie der Anzahl der Knoten geschätzt werden
Täglich kamen aus dem Ausland private Postpakete, die als Geschenksendungen aber in der Regel zollfrei waren.
Manche Thailandurlauber ließen sich dort Anzüge günstig nach Maß anfertigen und dann per Post zuschicken. Die
Kleidungsstücke hatten aber oft gefälschte Labels renommierter Marken. Die Einfuhr solcher Produktfälschungen war aber
auch damals schon verboten. Dann gab es nur die Alternative, die Ware zurückzuschicken oder sie beim Hauptzollamt vernichten zu lassen, was der Regelfall war.
Die Einfuhr von Antiquitäten war zwar zollfrei aber es musste Umsatzsteuer entrichtet werden. Dabei gab es die
Unterscheidung von Antiquitäten und Sammlungsstücken (für Sammlungen in Museen), für die nur der ermäßigte
Umsatzsteuersatz erhoben wurde. Manche Zollbeteiligte bestanden deshalb darauf, dass es sich bei ihrer Einfuhr um ein Sammlungsstück handeln würde, was aber praktisch nie der Fall war.
Zwei Beamte des Zollamts unterstützen die Hörnumer Kollegen bei der Abfertigung der Abendfahrt (Sommer 1968)
Neue Uniformen
Aus Anlass der Olympischen Spiele 1972 in München erhielten die Zollbeamten neue Uniformen. Die alten Uniformen wirkten
sehr militärisch. In einer Abstimmung konnten alle Zöllner ein Modell aus vier Entwürfen des Modeschöpfers Heinz Östergard
auswählen. Eine große Mehrheit stimmte für ein grünes Sacko mit grauer Hose (Modell 3) und gleichzeitig für die
Abschaffung der Dienstgradabzeichen. Die neuen Uniformen wirkten nicht nur freundlicher, sie waren auch von hervorragender Qualität und angenehmer als die alten zu tragen.
Beilage zur Umfrage mit den vier Entwürfen der neuen Uniform
Die Beamten des Zollamts Westerland in den alten Uniformen im August 1972... (v.l. Bernau, Fröhlich, Hirchert, Hemmerling, Schult)
...und einen Tag später in den neuen Uniformen (v.l. Hemmerling, Calmez, Schult, Hirchert, Bernau, Fröhlich)
Umzug des Zollamtes
Im Januar 1977 wurde das Zollamt Westerland in das Gebäude des Bundesvermögensamtes in der Norderstraße verlegt. Das
Gebäude in der Boysenstraße wurde verkauft. Heute befindet sich dort das Restaurant “Altes Zollhaus”.
Zollamt in der Norderstraße in Westerland von 1977 bis 2006 (Foto Oktober 2006)
Die Beamten des Zollamts Westerland (1995) von links: Fröhlich, Zuleger (Vorsteher), Bernau.
Der Kollege Fröhlich hat das Washingtoner Artenschutz Übereinkommen unter dem Arm, das dem Schutz bedrohter Arten dient und das wir auch gelegentlich zu Rate ziehen mussten.
Europäische Gemeinschaft
Mit der Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft wurden die Zollschranken zwar langsam abgebaut, die
Zollbestimmungen wurden dadurch aber immer umfangreicher und schwieriger, sodass wir immer häufiger an Lehrgängen teilnehmen mussten, bei denen uns die neusten Änderungen erläutert wurden.
Vollstreckung
Ab 1969 hatte ich bis zu meiner Pensionierung 1996 auch die Vollstreckungsaufträge auf Sylt für das Hauptzollamt Kiel zu
erledigen. Am Anfang waren dies etwa 30 Aufträge pro Jahr. Mit den Jahren stieg deren Zahl aber auf ca. 800
Vollstreckungsaufträge im Jahr an, sodass diese Tätigkeit zuletzt etwa 30% meiner Arbeitszeit ausmachte. Im Schnitt wurden
so pro Jahr etwa 100000 DM eingetrieben. Hauptsächlich waren die ersuchenden Stellen Berufsgenossenschaften, Sozialversicherungsträger und Arbeitsämter.
Flugplatz Sylt
Nach dem Abzug der Royal Air Force wurde der Sylter Flugplatz 1961 der Luftwaffe übergeben. Ab 1962 war dann auch die
zivile Mitbenutzung zunächst für Linienflüge möglich. Damit gab es auch weitere Aufgaben für den Zoll. Schon in den
Anfangsjahren wurde durch die schwedische Transair in den Sommermonaten eine Fluglinie von Malmö nach Sylt eingerichtet
. Diese Flugverbindung wurde aber wegen geringer Auslastung bald wieder eingestellt. In den Sechzigerjahren boten
wechselnde britische Fluggesellschaften (British Midland, Invicta, Laker) Linienverbindungen von Berlin nach Sylt an. Ende
der Sechzigerjahre nahm der Flugverkehr deutlich zu. So bediente die Dan Air London, später dann British Airways, während
des Sommers die Flugstrecke London Gatwick - Sylt - Berlin - Sylt - London. Bei der Ankunft von London mussten die an Bord
vorhanden zollfreien Waren (Transit) vor dem Weiterflug nach Berlin verschlossen werden. Bei der Rückkehr von Berlin
wurden die Zollplomben vor dem Flug nach London wieder entfernt. In den Siebzigerjahren flog Cimber Air von Dänemark und
in den Neunzigerjahren Crossair von Basel nach Sylt. Neben den Linien- und Charterflügen nahmen auch die privaten Flüge aus dem Ausland zu.

Auf dem Sylter Flughafen (Juni 1965)

Cimber Air aus Dänemark im Juni 1973
Im August 1974 platzen bei der Landung einer BAC Super 1-11 von British Airways zwei Reifen des Hauptfahrwerks.
Ersatzreifen und Mechaniker mussten schnell aus London herangeschafft werden. Einen ähnlichen Vorfall hatte es bereits im Juni 1970 mit einer Comet der Dan Air gegeben.

Die Flugwerft Michael Runge (Hangar im Hintergrund) und Condor Flugdienst im Auftrag der Bundeswehr (Flugzeug im Vordergrund)
führten Ersatzteile aus den USA ein (Foto 1973)
Crossair aus Basel (Juli 1995)
Abfertigung eines Sportflugzeugs aus Dänemark im August 1996
Schließung der Zolldienststellen auf Sylt
In den Achtzigerjahren wurde dann die GASt Westerland aufgelöst und der Grenzdienst auf der Insel Sylt von der nun mit vier
Beamten besetzten GASt Hörnum übernommen.
Mit dem Beitritt Dänemarks zum Schengener Abkommen 1996 und dem Wegfall der Grenzkontrollen ab März 2001 wurde
auch die Abfertigungsstelle in List aufgelöst.
Abfertigungsstelle am Fähranleger in List (Dezember 1992)
Auch die Zahl der Beamten des Zollamtes Westerland wurde nun schrittweise verringert. Im Oktober 1986 wurde ihre Zahl
von vier auf drei reduziert. Mit der Einrichtung des Postzollamtes Neumünster nahm die Zahl der Verzollungen am Zollamt
Westerland deutlich ab, sodass die Zahl der Beamten 1999 zunächst auf zwei und ab 2003 auf einen Beamten weiter
verringert wurde. Im Oktober 2006 wurde das Zollamt dann geschlossen. Für Einfuhren auf der Insel Sylt, die nicht am
Postzollamt Neumünster abgefertigt wurden, war seither das Zollamt in Husum zuständig.
Die GASt Hörnum wurde Ende der Neunzigerjahre aufgelöst. Der Zoll ist aber auch heute noch auf der Insel Sylt präsent. Der
Grenzdienst wird heute durch Zollbeamte GASt Süderlügum durchgeführt, die dafür täglich mit dem Zug auf die Insel kommen.

Aufgaben des Zolls: Ausfuhr von zwei fabrikneuen Hubschraubern aus Frankreich nach Norwegen über den Flugplatz Westerland (Sommer 2009)
Seit 2013 gibt es in den Sommermonaten eine regelmäßige Flugverbindung von Air Berlin zwischen Zürich und Sylt.

Sport und Norddeutsche Zollmeisterschaften
An der Zollschule in Flensburg Mürwik hatten wir auch Sportunterricht. Seit meiner Kindheit hatte ich im Verein Husum 18
Fußball gespielt, daher interessierten mich vor allem Mannschaftssportarten. Oft spielten wir Faustball, eine Sportart die
heute kaum noch bekannt ist und nur noch von wenigen aktiv betrieben wird. In unserer Freizeit stellten wir zudem eine
Fußballmannschaft zusammen und unser Sportlehrer organisierte gelegentlich Spiele gegen Betriebsmannschaften aus
Flensburg. Ich kann mit Fug und Recht behaupten auch gegen Bayern gespielt und gewonnen zu haben. Das kam so. An der
Zollschule gab es eine Klasse mit bayerischen Zollanwärtern. Sie hatten schon mal gegen uns Faustball gespielt und verloren.
Nun fragten sie uns, ob wir auch Fußball spielen konnten. Das konnten wir. Sie wussten allerdings nicht, dass wir alle in
Vereinen Fußball spielten und mit “Flocki” Bökenberg und Kuppe zwei Vertragsspieler vom Oberligistes Concordia Hamburg
in unseren Reihen hatten. Damals war die Oberliga die höchste Spielklasse. Zunächst gerieten wir 0:1 in Rückstand, denn
unser Torwart war Handballer und das große Fußballtor zunächst etwas ungewohnt, gewannen dann aber mit 7:1. Danach wollten die Bayern nicht mehr gegen uns spielen.
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Fußballmannschaft an der Zollschule Mürwik 1955
Der Dienstsport wurde besonders durch die ab 1956 jährlich stattfindenden Wettkämpfe bei den Norddeutschen
Zollmeisterschaften gefördert. An diesen Meisterschaften nahmen Mannschaften der Oberfinanzdirektionen Kiel, Hamburg,
Hannover, Bremen und Berlin teil. Ich spielte Faustball, anfangs auch Fußball, was aber wegen des Verletzungsrisikos bald nicht mehr erlaubt war.
Dienstsport Faustball
Zur Vorbereitung der Norddeutschen Zollmeisterschaften 1956 fand in Lübeck ein Faustball Ausscheidungsturnier statt, zu
dem alle Hauptzollämter Schleswig-Holsteins Mannschaften entsenden sollten. Für das Hauptzollamt Husum wurde eine
Mannschaft aus Beamten des ZKom Niebüll zusammengestellt zu der der Vertreter des Kommissars und vier Beamte von der
Insel Sylt gehörten. Vom Kommissar erhielten wir die Erlaubnis uns während der Dienstzeit auf das Turnier vorzubereiten.
Zunächst fanden wir auf Sylt keine geeigneten Gegner, die uns wirklich forderten. Der TSV Westerland hatte aber eine sehr
gute Faustballmannschaft, die sich bereit fand, mit uns gemeinsam zu trainieren. Bei diesem Training lernten wir sehr viel,
sodass wir gut vorbereitet zu dem Turnier nach Lübeck fuhren. Das Turnier verlief für uns sehr erfolgreich. Wir erreichten das
Endspiel und schlugen die favorisierte Mannschaft des Hauptzollamts Lübeck. Nun erlebte ich etwas, was ich bis dahin im
Sport für unmöglich gehalten hatte. Einem der höheren Dienstgrad des Hauptzollamts Lübeck missfiel das Ergebnis und er
überredete unseren Kommissar, das Spiel zu wiederholen. Dieses Spiel verloren wir natürlich.
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Die Faustballmannschaft des ZKom Niebüll (1956) nach der Siegerehrung in Lübeck von links: Tondern (ZKom), Bernau (GASt List), Bock (GASt Hörnum), Johannsen (VZKom),
Klenner (GASt Hörnum) und Stresing (GASt List)
Spartanische Unterbringung während der Zollmeisterschaften 1956 in einer Sporthalle der Polizei in Hamburg
Im August 1964 nahm ich zum letzten mal an den Norddeutschen Zollmeisterschaften in Hamburg teil.
Einmarsch der Mannschaften in das Parkstadion in Hamburg
Verabschiedung in den Ruhestand
Einige Monate vor meiner Pensionierung wurde ich von einem Kollegen gefragt, wie ich es geschafft hätte, so lange auf der
Insel Sylt zu bleiben. Ich hatte gar nichts gemacht, hatte einfach Glück und war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Es hätte
auch anders kommen können. Ich hatte 1967 gerade meine Versetzung in den Innendienst an das Zollamt Westerland
bekommen. In Nordrhein-Westfalen fehlten zu dieser Zeit Zollbeamte im Grenzdienst. Daher wurden viele aus dem Bereich
der Oberfinanzdirektion Kiel nach NRW z.B. an die niederländische Grenze versetzt. Auch mehrere Kollegen von Sylt erhielten
die Versetzung. Einige Jahre später lernte ich im Urlaub zufällig den Vorsteher des Hauptzollamts Dortmund kennen, der mir
erzählte, dass es schwierig gewesen war, für die vielen neuen Kollegen Wohnungen zu finden.
Mit der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden zum 3. Oktober alle Zollämter und Grenzaufsichtsstellen an der
innerdeutschen Grenze zwischen Lübeck und Hof aufgelöst und die Zollbeamten an andere Dienstorte versetzt, einige auch
nach Sylt. Mit dem Beitritt Dänemarks zum Schengener Abkommen 1996 und dem Wegfall der Grenzkontrollen 2001 wurden
die meisten Zollämter und Grenzaufsichtsstellen an der dänischen Grenze aufgelöst, wie schon 1995 an den Grenzen zu den Niederlanden, nach Belgien, Luxemburg, Frankreich und 1997 nach Österreich.
Kontrollen finden seither im Binnenland statt, was die Arbeit der Zollbeamten nicht gerade erleichtert. In einem Fall kam es
2012 in Schleswig-Holstein zu einer gefährlichen Situation, als ein ausländischer Autofahrer bei einer nächtlichen Kontrolle
auf einem Ratsplatz an der A7 die Beamte nicht als solche erkannte und meinte, man würde ihn überfallen und beide mit
einem Messer schwer verletzte. Da er vor Gericht glaubhaft machen konnte, dass er glaubte, in Notwehr zu handeln, wurde er vom Vorwurf der schweren Körperverletzung freigesprochen.
Zwar gibt es immer noch Zollbeamte, die Waren verzollen oder z.B. an Flughäfen Personenkontrollen durchführen aber im
Laufe der Jahre sind neue Aufgaben für den Zoll hinzugekommen wie der Einzug der Kfz-Steuer, auch unangenehme, wie die
Bekämpfung von Schwarzarbeit. Ich beneide die heutigen Beamten um ihre neuen Aufgaben nicht und glaube, dass ich die
schöneren, angenehmeren und interessanteren Jahre beim Zoll auf Sylt verbracht habe.
 Verabschiedung in den Ruhestand durch Oberregierungsrat Thiele im Oktober 1996

Harald Bernau 1931 - 2015
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